wir freuen uns, Ihnen die vierte Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters vorzustellen. Während wir uns in der letzten Ausgabe mit einer Übersicht über bereits bestehende Wärmenetzen der 5.Generation in Europa beschäftigt haben, widmet sich diese Ausgabe der Rolle von Rechenzentren als Prosumer in Fernwärmenetzen. Das ausgewählte Paper betrachtet Rechenzentren als Prosumer, wobei der Schwerpunkt sowohl auf der Integration erneuerbarer Energiequellen als auch auf der Erfassung der Abwärme von Rechenzentren für Fernwärme liegt. In dieser Ausgabe unseres Newsletters konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Potenziale von Rechenzentren als Abwärmequellen in Fernwärmenetzen, empfehlen aber auch die anderen Aspekte des Originalartikels.
In dieser Ausgabe zeigen wir unsere Sicht auf das Paper "A review of data centers as prosumers in district energy systems: Renewable energy integration and waste heat reuse for district heating" von Pei Huang et al. Das Papier ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Department of Energy and Built Environment der Dalarna University und EcoDataCenter in Schweden.
Das Papier zielt darauf ab, eine globale Perspektive auf die Optimierung des Betriebs von Rechenzentren zu schaffen, bei der alle beteiligten Energieflüsse berücksichtigt werden, einschließlich der Energieversorgung des Rechenzentrums und der Nutzung der entstehenden Abwärme. Bei diesem ganzheitlichen Ansatz werden Rechenzentren als Prosumer mit hohem Stromverbrauch verstanden, die jedoch mit der Kühlung der Server auch große Mengen an Abwärme mit einem Nutzungspotential für Heizanwendungen erzeugen.
Um diese ganzheitliche Sichtweise von Rechenzentren als Prosumer zu unterstützen, bietet der Artikel ein Review über die verschiedenen Technologien fpr die Kühlung von Rechenzentren, die Integration erneuerbarer Energiequellen in die Stromversorgung, fortschrittliche Regelstrategien und die Möglichkeiten zur Rückgewinnung der anfallenden Abwärme zur Nutzung in Fernwärmenetzen. Dabei stellen die Forschenden fest, dass sich technische einfache Lösungen für die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren in der Fernwärme bisher als die wirtschaftlichsten Lösungen erwiesen haben. Darüber hinaus kommen sie zu dem Schluss, dass bisher die Potentiale einer globalen Optimierung des Betriebs von Rechenzentren als Prosumer nicht vollständig genutzt werden.
Das Paper "A review of data centers as prosumers in district energy systems: Renewable energy integration and waste heat reuse for district heating" von Pei Huang et al. untersucht den aktuellen Stand der Technik hinsichtlich der Rolle von Rechenzentren als Prosumer in Fernwärmenetzen. Der Artikel ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Department of Energy and Built Environment der Dalarna University und EcoDataCenter in Schweden.
Die Autoren zeigen die Bedeutung von Rechenzentren in Energiesystemen anhand der Einordnung, dass Rechenzentren einen Anteil von 3 % der weltweiten Stromproduktion verbrauchen und 4 % der globalen Treibhausgasemissionen verursachen. Und für die Zukunft werden diese Zahlen voraussichtlich deutlich zunehmen. Da dies sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus ökologischer Sicht große Auswirkungen hat, stützen sich die Autoren auf eine Vielzahl von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zur Optimierung der zu- und abfließenden Energieströme in Rechenzentren.
Als Grundlage ihrer Arbeit geben die Forschenden zunächst einen umfassenden Überblick über Rechenzentren und die verfügbaren Kühltechnologien. Sie zeigen, dass verschiedene Servertypen im Rechenzentrum unterschiedliche Betriebstemperaturen haben und zu unterschiedlichen Wärmedichten führen. Für die Temperaturen unterscheiden sie zwischen Standardservern und HPC-Servern (High Performance Computing). Für die Wärmedichten zeigt das Paper, dass neuere Rechenzentren ihre spezifischen Wärmeleistungen mit bis zu 10 kW / m² gegenüber früheren Generationen deutlich erhöht haben. Für einen sicheren Betrieb des Rechenzentrums muss diese Wärme abgeführt werden, damit die Server innerhalb der empfohlenen Bereiche für Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit arbeiten können. Die verfügbaren Kühltechnologien zum Abführen von Wärme aus dem Rechenzentrum werden in drei Kategorien unterteilt:
Bei den gängigen luftgekühlten Systemen identifizieren die Forschenden die Lüfter des Server-Racks als optimalen Ansatzpunkt, um Abwärme nutzbar zu machen und Temperaturen von 35 bis 45 ° C zu erreichen. Um zu quantifizieren, welche Anteile des Energieverbrauchs des Rechenzentrums als Abwärme zurückgewonnen werden können, wird der Energy Reuse Factor beschrieben, der als die wiederverwendete Energie geteilt durch den Stromverbrauch des Rechenzentrums definiert wird. Als Referenzwerte für den Energy Reuse Factor werden Werte von 25 bis 45 % genannt, wenn Wärme aus der Server-Abluft zurückgewonnen wird und 55 % wenn sie direkt in der Kältemaschine des Kühlsystems zurückgewonnen wird. Weitere Schätzungen identifizieren ein theoretisches Potenzial von bis zu 68 %. Für innovativere Kühloptionen wird erwähnt, dass wassergekühlte Systeme Temperaturen von etwa 60 ° C und Zweiphasenkühlsysteme sogar bis zu 80 ° C erreichen können.
Mit Bezug auf die Regelstrategien für den Betrieb von Rechenzentren zeigt das Paper, dass die Verlagerung von Serverlasten in Zeiten hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien die Treibhausgasemissionen reduzieren kann. Das Paper beschreibt jedoch auch, dass sich solche Steuerungskonzepte derzeit hauptsächlich auf die Angebotsseite konzentrieren, ohne die Abwärmepotentiale zu optimieren, auch weil übliche Kennwerte zur Messung der Effizienz von Rechenzentren die globale Sicht des Rechenzentrums als Prosumer in der Regel nicht ausreichend berücksichtigen.
Für die Einbindung der zurückgewonnenen Abwärme in ein Fernwärmenetz werden verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen, bei denen eine zentrale Wärmepumpe im Rechenzentrum eingesetzt wird, um die Temperatur der Abwärme zu erhöhen, die in das Netz eingespeist werden soll, während gleichzeitig das Rechenzentrum gekühlt wird. Um die Abwärmeversorgung und den Netzbedarf zu entkoppeln, schlagen die Forschenden vor, eine zweite Erdwärmepumpe hinzuzufügen, damit Wärme- und Kälte mithilfe von 1 oder 2 Geothermiefeldern verschoben und gespeichert werden können. Während diese Nutzung von Geothermie dem System Speicherkapazität hinzufügt und somit die Abwärmenutzung erhöhen kann, weist das Paper auch auf die erhöhten Kosten eines solchen Systems hin, so dass die einfachere direkte Verbindung ohne Geothermie als wirtschaftlichere Lösung bewertet wird.
Alle im Paper evaluierten Möglichkeiten konzentrieren sich auf die Einbindung der Abwärme in ein konventionelles Fernwärmenetz bei relativ hohen Temperaturen, für das eine Wärmepumpe zum Erreichen der Einspeisetemperaturen erforderlich ist. Im Gegensatz dazu eröffnen Niedertemperaturnetze sowie Fernwärmenetze der 5. Generation, wie in unserer vorherigen Newsletter-Ausgabe 3 erläutert, weitere interessante Möglichkeiten, die Abwärme von Rechenzentren direkt ohne eine Wärmepumpe zu integrieren.
Für solche Anwendungen muss sorgfältig zwischen dem Betrieb einer zentralen Wärmepumpe am Rechenzentrum mit dem Netzbetrieb bei höheren Temperaturen und der größeren Anzahl an dezentralen Wärmepumpen in einem Niedertemperaturnetz abgewogen werden. Bei heatbeat sehen wir solche Bewertungen als vielversprechende Anwendungen für unsere Simulationsmethoden, um verschiedene Systemvarianten zu vergleichen und potenzielle Abwärmequellen wie Rechenzentren in der Fernwärme optimal zu nutzen sowie ihre Rolle als Prosumer im Energiesystem bestmöglich zu unterstützen.
Der Originalartikel ist unter https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2019.114109 verfügbar. Im Rahmen unseres Newsletters konnten wir uns nur auf die Aspekte konzentrieren, die in direktem Zusammenhang mit der Fernwärme stehen. Das Paper enthält jedoch viele weitere interessante Details zur Einbindung erneuerbarer Energien und zu innovativen Regelstrategien für Rechenzentren. Daher empfehlen wir das Paper in seiner Gesamtheit.
Darüber hinaus entwickelt die Forschungsgruppe an der Dalarna University derzeit eine Simulationsplattform, die auf agentenbasierter Modellierung und GIS-Technik (Geographic Information System) basiert, um Wärmenetze der 5ten Generation und deren mögliche Anwendungen in den baltisch-nordischen Regionen technisch und ökonomisch zu untersuchen. Dabei wird ein integrierter, multidisziplinärer Ansatz verfolgt werden, der die Entwicklung technologischer Datenbanken, die Zuordnung digitaler GIS-Ressourcen, die techno-ökonomische Simulation, die Optimierung von Geschäftsmodellen und eine politik-orientierte Machbarkeitsstudie für die Verbreitung kombiniert. Diese Forschung wird von Nordic Energy Research finanziert. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter https://www.du.se/en/research/research-projects2/?code=HDA2021-00001.
Die nächste Ausgabe unseres Newsletters erscheint am 3. März 2021.
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