für die Rolle von Fernwärmenetzen im Wandel des Energiesystems weg von fossilen Energieträgern haben wirtschaftliche Anreize einen zentralen Einfluss auf die Entscheidungen, die Fernwärmenetzbetreiber für ihre Systeme treffen. In diesem Zusammenhang freuen wir uns, in dieser 8. Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters einen Artikel über die wirtschaftlichen Vorteile von Fernwärmenetzen der 4. Generation zu präsentieren. Interessanterweise hat die Reduzierung der Wärmeverluste bei niedrigeren Netztemperaturen nicht den größten Einfluss auf diese wirtschaftlichen Vorteile. Stattdessen wird in dem vorgestellten Artikel beschrieben, dass sinkende Kosten in der Wärmeerzeugung einen noch größeren Einfluss haben können. Darüber hinaus können die Forschungsergebnisse helfen, den scheinbaren Widerspruch zwischen dem großen Potential niedrigerer Netztemperaturen und gleichzeitigem Zögern bei der Umsetzung in bestehenden Netzen besser zu verstehen.
Für die 8. Ausgabe unseres Newsletters haben wir den Artikel Economic benefits of fourth generation district heating von Helge Averfalk und Sven Werner von der Halmstad University in Schweden ausgewählt.
Für diese Studie modellieren die Autoren ein mittelgroßes Netz auf zwei verschiedenen Temperaturniveaus, um die wirtschaftlichen Vorteile eines Fernwärmenetzes der vierten Generation (4GDH) mit niedrigeren Netztemperaturen gegenüber einem Fernwärmenetz der dritten Generation (3GDH) bei höheren Temperaturen zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass die Kosten von traditionellen Wärmeerzeugern wie Blockheizkraftwerken (BHKW) auf eine Absenkung der Netztemperaturen nur vergleichsweise wenig sensitiv reagieren. Andererseits zeigen erneuerbare Wärmequellen wie Geothermie, industrielle Abwärme und große Wärmepumpen eine hohe Kostensensitivität und reagieren damit stärker auf niedrigere Netztemperaturen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass es nur geringe wirtschaftliche Anreize gibt, Netztemperaturen in Fernwärmenetzen zu senken, wenn diese derzeit durch traditionelle, verbrennungsbasierte Wärmequellen versorgt werden. Geht man jedoch davon aus, dass in zukünftigen Fernwärmesystemen erneuerbare Wärmequellen genutzt werden müssen, zeigt der Artikel einen sehr hohen wirtschaftlichen Nutzen niedrigerer Netztemperaturen. Damit decken sich diese Ergebnisse mit der allgemeinen Auffassung, dass viele erneuerbare Wärmequellen niedrigere Netztemperaturen benötigen und dass die Herausforderungen für 4GDH darin liegen, diese niedrigeren Temperaturen zu erreichen. Darüber hinaus denken wir aber, dass die vorgestellte Analyse eine sehr wertvolle Perspektive bietet, um diese Herausforderungen im Detail besser zu verstehen. Der Artikel zeigt außerdem, dass die Kostenvorteile niedrigerer Temperaturen in zukünftigen Fernwärmenetzen hauptsächlich durch niedrigere Kosten der Wärmeerzeugung und weniger durch reduzierte Wärmeverluste entstehen.
Wir haben den Artikel Economic benefits of fourth generation district heating von Helge Averfalk und Sven Werner für diese 8. Ausgabe unseres Newsletters ausgewählt, weil wir denken, dass er einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der wirtschaftlichen Herausforderungen für zukünftige Fernwärmenetze leistet.
Die Autoren definieren ein mittelgroßes Netz, für das sie ein Fernwärmenetz der 4. Generation mit einem Fernwärmenetz der 3. Generation vergleichen. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Netzen besteht darin, dass in der 4GDH-Variante niedrigere Netztemperaturen (55 - 60 °C Vorlauf, 25 °C Rücklauf) angenommen werden als für die 3GDH-Variante (80 - 100 °C Vorlauf, 40 - 60 °C Rücklauf). Für die Analyse der wirtschaftlichen Vorteile des 4GDH gegenüber dem 3GDH-Benchmark verwendet das Paper den Cost Reduction Gradient als zentralen Kennwert. Der Cost Reduction Gradient ist definiert als der jährliche wirtschaftliche Nutzen einer Netztemperatursenkung in EUR geteilt durch die gesamte jährliche Wärmelieferung an das Netz und durch die durchschnittliche Reduzierung der Netztemperatur¹ in K.
Um ein einfaches Beispiel zu geben, bedeutet ein Cost Reduction Gradient von 0,50 EUR/(MWh*K) also, dass für ein gegebenes Fernwärmesystem eine Senkung der durchschnittlichen Netztemperatur um 1 Kelvin zu einem wirtschaftlichen Nutzen von 0,50 EUR für jede ins Netz eingespeiste MWh führt. In einem Netz mit einer jährlichen Wärmelieferung von 200 GWh würde eine Reduzierung der Netztemperatur um 20 K also einen jährlichen wirtschaftlichen Gesamtnutzen von 2 Mio. EUR bedeuten. In diesem Zusammenhang kann ein höherer Cost Reduction Gradient als Indikator dafür angesehen werden, dass die Absenkung der Netztemperaturen einen großen wirtschaftlichen Nutzen hat, während ein niedriger Cost Reduction Gradient darauf hinweist, dass niedrigere Netztemperaturen nur zu einem geringen wirtschaftlichen Nutzen führen.
Ein wichtiger Aspekt der Studie ist, dass ein zukünftiges Szenario für Fernwärme ohne jeglichen Einsatz fossiler Brennstoffe untersucht und daher nur erneuerbare und recycelte Wärmequellen sowohl für die 3GDH-Variante als auch die 4GDH-Variante berücksichtigt. Zu diesen erneuerbaren Wärmequellen gehören mit Abfall oder Biomasse befeuerte KWK-Anlagen, Geothermie, industrielle Abwärme, Großwärmepumpen und Solarthermie. In jeder untersuchten Variante nehmen die Autoren an, dass eine primäre erneuerbare Wärmequelle aus diesen Optionen 90 % der jährlichen Wärmelieferung an das Netz bereitstellt. Die restlichen 10 % werden dann von einem mit Bioöl befeuerten Spitzenlastkessel geliefert. Infolgedessen erfordern die meisten Optionen größere Anlagenkapazitäten für den 3DGH-Fall, was zu höheren Kosten für diesen Fall mit höheren Netztemperaturen führt.
Obwohl die Studie aufgrund dieser Annahmen natürlich gewisse Einschränkungen hat (die von den Autoren im Originalbeitrag auch umfassend erläutert werden), arbeiten die Autoren sehr interessante Ergebnisse heraus, indem sie den Cost Reduction Gradient für jede der untersuchten Wärmeversorgungstechnologien berechnen. Darüber hinaus erklären sie die unterschiedlichen Anteile der reduzierten Wärmeverluste, der Brennstoffkosten der Haupt-Wärmequelle, der Brennstoffkosten der Spitzenlasteinheit und des Stromverbrauchs bzw. der Stromerzeugung der Haupt-Wärmequelle am Cost Reduction Gradient. Zusätzlich zu dieser Analysetiefe vergleichen sie ihre Ergebnisse mit Werten aus früheren Studien, was einen umfassenden Vergleich der verschiedenen Wärmequellen und ihrer wirtschaftlichen Vorteile in 4GDH-Netzen ermöglicht.
Der Vergleich der Ergebnisse der Studie zeigt, dass die verbrennungsbasierten Wärmequellen, zu denen Abfall- und Biomasse-BHKWs sowie Biomassekessel gehören, zu relativ niedrigen Werten für den Cost Reduction Gradient kommen. Die Werte liegen zwischen 0,06 EUR/(MWh*K) für das abfallbefeuerte BHKW und 0,17 EUR/(MWh*K) für das biomassebefeuerte BHKW. Im Vergleich dazu liegen die anderen erneuerbaren Wärmequellen Geothermie, industrielle Abwärme, Großwärmepumpen und Solarthermie sowohl für den Betrieb als auch für die Investition zwischen etwa 0,35 und 0,7 EUR/(MWh*K). Diese Werte geben einen deutlichen Hinweis darauf, wie sensibel die Kosten der verschiedenen Wärmequellen auf niedrigere Netztemperaturen reagieren. Darüber hinaus gehen die Ergebnisse ins Detail und verdeutlichen, dass die geringeren Wärmeverluste bei 4GDH im Vergleich zu den Kostenvorteilen der Versorgungsanlagen nur ein geringer Faktor für die Kostensenkungen sind.
Wir glauben, dass dieser Ansatz und der Kennwert des Cost Reduction Gradient zukünftige Entwurfsprozesse für Energiesysteme unterstützen und dazu beitragen können, besser zu verstehen, wie umweltfreundliche Lösungen gefunden werden können, die auch wirtschaftlich machbar sind. Unsere Projekterfahrung bei heatbeat bestätigt, dass die besten Energiekonzepte häufig eine ganzheitliche Bewertung der Wärmeerzeuger und des Netzbetriebs einschließlich der Netztemperaturen erfordern. Wir sind der Meinung, dass der vorgestellte Artikel dazu beiträgt, dafür eine gute Grundlage zu schaffen und zu erklären wie empfindlich verschiedene Wärmeversorgungstechnologien auf Änderungen der Netzwerktemperatur reagieren.
¹Die Autoren definieren den Cost Reduction Gradient ursprünglich auf Basis der jährlichen Wärmelieferung in TJ. In unseren Projekten bei heatbeat verwenden wir üblicherweise die Einheit MWh für die Wärmelieferung. Daher haben wir in diesem Newsletter alle Werte für den Cost Reduction Gradient auf EUR/(MWh*K) umgerechnet.
Das Original-Paper ist frei verfügbar unter https://doi.org/10.1016/j.energy.2019.116727zu finden. Wir empfehlen den Artikel sehr, da es nicht nur die interessanten, bereits zusammengefassten Ergebnisse, einen sehr umfassenden Überblick über die Literatur und eine Diskussion der Einschränkungen der Studie enthält, sondern auch mehr Details zu jeder der untersuchten Varianten.
Die nächste Ausgabe unseres Newsletters erscheint am 7. Juli.
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