heatbeat Blog

Newsletter-Ausgabe 60
01.10.2025

Prädiktive Instandhaltung von Fernwärmeleitungen & MPC‑Anforderungen in dezentralen Netzen

Liebe Leserinnen und Leser,

In der 60. Ausgabe stellen wir zwei aktuelle Studien vor: Eine Machine Learning (ML)-basierte Priorisierung von Leitungsersatzmaßnahmen und eine Anforderungsanalyse, welche thermohydraulischen Effekte für Model Predictive Control (MPC) in dezentralen Fernwärmenetzen wirklich modelliert werden müssen.

Predicting Pipe Failures: A Machine Learning Approach to Asset Management in District Heating von Jensen et al.

Vorgehen

Das Team kombinierte Geodaten (Boden, Landnutzung, Straßentyp, Niederschlag, Topografie) mit betriebsbezogenen Druckinformationen und nutzte—mangels Detailhydraulik—eine einfache lineare Druckapproximation (Druckabfall pro Meter plus Höhenkorrektur). Starke Klassen-Imbalance (≈1:215) wurde durch Over/Down-Sampling adressiert. Random Forest lieferte die beste Performance.

Ergebnisse

  • Ranking-Güte: Area Under the Curve (AUC) ≈0,72, und >40% der Ausfälle werden in den ersten ~10% der Netzlänge identifiziert—vergleichbar oder besser als frühere Arbeiten.
  • Druck hilft: Selbst die einfache Druckrepräsentation verbesserte AUC10 um ~4,5%, d.h. Betriebsdaten liefern zusätzlichen Informationsgehalt gegenüber reinen GIS-Features.
  • Absolute Entscheidungen bleiben schwierig: Aufgrund der Imbalance führen Schwellenwerte trotz Tuning zu vielen False Positives; mehr gelabelte Ausfälle und weitere Features (z.B. Anzahl der Muffen/Schweißnähte, Wassertemperatur) sind nötig, um echte Ersatzentscheidungen zu stützen.

Relevanz

Versorger können Inspektionen priorisieren und Hotspots adressieren—auch ohne vollständigen hydraulischen Zwilling—sofern GIS-Schichten, saisonale Quell-Druckdaten und Höheninformationen vorliegen. ML-Ergebnisse sollten dabei als Risikoranglisten genutzt werden, nicht als automatische Aushub-Entscheidungen.

Requirements analysis for Model Predictive Control in a decentralized DHN from Zoschke et al.

Vorgehen

An einem mehrquelligen Netz (Weil am Rhein) wurde untersucht, welche thermohydraulischen Effekte in einer MPC-Formulierung wirklich erforderlich sind. Ein wärmebasierter MILP-Ansatz wurde mit Hydrauliksimulationen (pandapipes) und Monitoringdaten gespiegelt; daraus wurden Mindestanforderungen für die MPC abgeleitet.

Ergebnisse & Implikationen

  • Kostensenkung durch MPC (auch ohne Hydraulik): Erwartete Einsparungen von ~17,8% (ideale Prognose) bzw. ~14,3% (±20% Prognosefehler)—vor allem durch weniger fossile Spitzenlast und mehr BHKW-Einsatz.
  • Hydraulik ist kritisch: Pumpenförderrandbedingungen können bestimmte Erzeugerkombinationen bei hoher Last physikalisch verhindern (z.B. max. Förderhöhe ~3bar an einem Standort). Daher müssen Druckverluste und Pumpengrenzen in die MPC aufgenommen werden. Pumpenergiekosten (~0,6-1,3€/MWh) sind hingegen nachrangig für die Einsatzreihenfolge.
  • Vorlauftemperatur-Optimierung: kleiner Zusatzhebel: Daten deuten auf ~1,8% Zusatz-Einsparungen; Verweilzeiten sind lang (Ø Winter ≈38min; Sommer ≈3h) ⇒ bei Temperatur-Optimierung Zeitverzögerungen berücksichtigen. Netzspeicher-Effekt ist begrenzt (≈0,5MWh Winter, 2MWh Sommer) gegenüber vorhandenem TES (≈6MWh).

Prioritäten für die Umsetzung

  • Zuerst für die Betriebssicherheit: Druckverlust-Nebenbedingungen und Pumpenlimits in die MPC integrieren.
  • Dann für Effizienz-Feinschliff: Falls rechnerisch machbar, Vorlauftemperatur als Entscheidungsvariable mit Verzögerungsmodellierung ergänzen—Mehrwert ist moderat im Vergleich zum großen Effekt des antizipativen, wärmebasierten MPC.

Weitere Informationen

Die vollständigen Artikel liefern Details zu Daten, Methoden und Validierung. Außerdem haben wir wie in der letzten Ausgabe noch den Hinweis: Monatliche Feature-Updates unseres heatbeat Digital Twin und neues Webinarformat im Blog: https://heatbeat.de/de/blog/83/ .

Die nächste Ausgabe unseres Newsletters erscheint am 5.November2025. Bis dahin können Sie uns bei folgenden Gelegenheiten treffen https://heatbeat.de/de/events/ :

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Heatbeat-Team

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