dies ist die fünfte Ausgabe des heatbeat Research Newsletters. Diesmal konzentrieren wir uns auf bestehende Fernwärmenetze und darauf, wie moderne Simulationswerkzeuge Regelstrategien zur Nutzung der Flexibilität im thermischen Netz optimieren können. Der ausgewählte Beitrag stellt eine Fallstudie für ein Fernwärmenetz in Verona (Italien) vor. Der Beitrag untersucht eine neue Regelstrategie für Reduktion der Lastspitzen (Peak Shaving) und der Verschiebung von Lasten (load shifting) durch Anpassung der Durchflussmengen im Netz vor oder nach dem Auftreten von Bedarfsspitzen.
In dieser Ausgabe präsentieren wir unsere Zusammenfassung des Artikels "Increasing the energy flexibility of existing district heating networks through flow rate variations" von Jacopo Vivian et al. von der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Universität von Padua in Italien.
Die Arbeit präsentiert eine Simulationsstudie in der Stadt Verona (Italien). Die Autoren wenden ein Simulationsmodell an, um neue Regelstrategien im Vergleich zum aktuellen Betrieb zu untersuchen. Ziel ist es, Lasten zu verschieben und Bedarfsspitzen zu reduzieren. Die aktuelle Regelstrategie ist eine Differenzdruckregelung bei konstanter Vorlauftemperatur, die einen ausreichenden Differenzdruck am Schlechtpunkt garantiert.
Zur Lastverschiebung und zur Vermeidung von Lastspitzen, z. B. zur Integration erneuerbarer Energien, werden für das Fernwärmenetz in Verona zwei unterschiedliche Regelstrategien modelliert und simuliert. Die erste Strategie beinhaltet das Einspeichern des Netzes vor der Spitzenlast (pre-charge), wobei das Netz mit höheren Durchflussraten betrieben wird. Die zweite Strategie ist eine Ausspeicher-Strategie, bei der das Netz während der Spitzenlasten stärker ausgekühlt und erst danach wieder beladen wird. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass in Bezug auf das maximale Lastreduzierungspotenzial, die verschobene Energie und die Versorgungssicherheit das vorherige Beladen vorteilhaft ist.
Der Artikel "Increasing the energy flexibility of existing district heating networks through flow rate variations" von Jacopo Vivian et al. von der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Universität von Padua in Italien stellt eine Simulationsstudie für ein reales Fernwärmenetz in Verona (Italien) vor. Die Fallstudie umfasst ein Fernwärmenetz mit 25 km Länge und 247 angeschlossenen Kunden. Der gesamte Verbrauch der Kunden beträgt ca. 70 GWh/Jahr für Raumwärme und Brauchwarmwasser. Die Spitzenlast der Energieversorgung beträgt ca. 38 MW. Es gibt drei Energieversorgungsanlagen im Netz. Die Hauptversorgung verfügt über ca. 95 % der gesamten installierten Leistung. Zwei kleinere Versorgungseinheiten umfassen die Nutzung von Abwärme aus einer Gießerei und Spitzenlastkesseln. Im aktuellen System wird der Massenstrom durch Ventile in den Kundenunterstationen und die Förderhöhe der Umwälzpumpe in der Hauptversorgungseinheit bestimmt. Die Förderhöhe wird mit empirisch ermittelten Werten eingestellt, so dass zu jedem Zeitpunkt eine ausreichende Druckdifferenz am Netzschlechtpunkt gewährleistet ist. Die Vorlauftemperatur im System ist bei allen Durchflüssen konstant bei 80 °C.
Die Autoren stellen zwei verschiedene Strategien für Peak Shaving und Lastverschiebung vor, die nur die Kapazität des Wärmenetzes ohne konventionelle Speicher nutzen. Die Speicherkapazität ist also nicht vom Netz getrennt und das Fluid innerhalb des Fernwärmenetzes übernimmt zwei Funktionen, die Wärme an die Kunden zu übertragen und die Wärme für eine spätere Nutzung zu speichern. In der betrachteten Fallstudie ist die Vorlauftemperatur über die Zeit konstant, so dass die einzige Möglichkeit Energie zu speichern darin besteht, den Volumenstrom und damit die Temperatur des Rücklaufs zu erhöhen. Da der Massenstrom, wie oben beschrieben, durch die Ventilöffnung der Kunden und der Druckdifferenz in der Hauptversorgung bestimmt wird, schlagen die Autoren mehrere Bypässe im Netz vor, um den Massenstrom zu erhöhen bzw. zu senken. Basierend auf diesen Vorüberlegungen werden zwei Strategien untersucht:
Die Massenströme beim Ein- und Ausspeichern haben unterschiedliche Verläufe. Die Autoren definieren die Verläufe mit der Dauer und der Leistung vor bzw. nach der Lastspitze. Um den Erfolg und die Eignung der beiden Regelstrategien zu bewerten, werden verschiedene Key-Performance-Indikatoren (KPIs) eingeführt. Die KPIs sind die Lastreduzierung und die zeitliche Verschiebung der Spitzenlast im Vergleich zur Referenzregelstrategie, die Menge der verschobenen thermischen Energie, ein Versorgungsindex basierend auf der Rücklauftemperatur der Kundenunterstationen (d. h. Versorgungssicherheit) und die Variation der gelieferten thermischen als auch elektrischen (Pumpen) Energie in den Einspeisungen.
Der Beitrag führt eine umfangreiche Simulationsstudie mit unterschiedlichen Formen für beide Regelstrategien durch und wertet die definierten KPIs und Simulationsergebnisse detailliert aus. Neben der Form des Ein- bzw. Ausspeichern, ist die Fließgeschwindigkeit im Netz ein wesentlicher Einflussfaktor auf das Potenzial von Peak Shaving und Lastverschiebung. Je höher die durchschnittliche Geschwindigkeit im Netz ist, desto schneller breitet sich die Wärme im Netz aus und desto schneller erwärmt sich der Rücklauf und speichert Energie. Dieses Ergebnis zeigt die große Bedeutung von Simulationsmodellen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung für die Entwicklung und Bewertung neuer Regelstrategien für thermische Netze.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Einspeicher-Strategie für alle definierten KPIs vorteilhaft ist. Das Einspeichern kann die Spitzenlast im Netz um bis zu 13 % für typische Wintertage und sogar 18 % für Tage mit geringerem Wärmebedarf im Frühjahr reduzieren. Die Wahrscheinlichkeit von Unterversorgung in den Übergabestationen (d. h. die Versorgung ist nicht gewährleistet) ist zu Zeiten mit hohem Wärmebedarf etwa dreimal höher. Die Ausspeicher-Strategie schneidet in Bezug auf die thermische Lastverschiebung und die Spitzenlastreduzierung schlechter ab. Die Regelstrategien haben nur einen geringen Einfluss auf den Bedarf an thermischer und elektrischer Energie.
Der Beitrag stellt eine sehr interessante und aktuelle Fallstudie zu neuen Regelungsstrategien dar, um Flexibilität in bestehenden Netzen zu ermöglichen. Regelungsstrategien müssen für individuelle Netze sorgfältig angepasst und bewertet werden. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Temperatur, Durchflussmenge, Strömungsgeschwindigkeit, Druck und den Energiebedarf einzelner Kunden in einer kombinierten Simulation mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zu berücksichtigen. Bei heatbeat nutzen wir unsere fortschrittlichen Simulationsmethoden, um verschiedene Regelungsstrategien zu vergleichen und zu bewerten und so die Integration von erneuerbarer Wärme in bestehende Fernwärmenetze zu erleichtern. Wie in unserem Beispiel dargestellt, betrachten wir jeden Kunden mit individuellen Gebäudemodellen und kalibrieren diese auf seinen Jahresverbrauch.
Den Original-Artikel finden Sie unter https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2020.115411. Im Rahmen unseres Newsletters haben wir uns hauptsächlich auf die Regelstrategien und das vorgestellte Fallbeispiel konzentriert. Der Artikel beinhaltet jedoch auch Modellierungsansätze für Fernwärme und schlägt strukturelle Änderungen am Netz vor, um die Flexibilität des Netzes zu ermöglichen. Daher empfehlen wir das Papier in seiner gesamten Fassung sehr.
Die nächste Ausgabe unseres Newsletters wird am 7. April 2021 erscheinen.
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