heatbeat Blog

Newsletter-Ausgabe 33
05.07.2023

Erneuerbare Wärmequellen für Fernwärmenetze

Liebe Leserinnen und Leser,

nicht erst seit dem Fernwärmegipfel vergangenen Monat steht fest, dass der Fernwärmeausbau in Deutschland eine entscheidende Rolle in der Wärmewende einnehmen wird. Neben den kontinuierlichen Erweiterungen bestehender Netze, dem Ausbau neuer Netze muss ein starker Fokus auf der Erschließung erneuerbarer Energiequellen auf allen Temperaturniveaus liegen. In unserem aktuellen Newsletter möchten wir daher zwei Artikel vorstellen, die das Potenzial bisher noch zu wenig genutzten Quellen darstellen. Dabei fokussiert der erste Artikel die Nutzung des Abflusses aus Kläranlagen für große Städte. Der zweite Artikel wirft einen größeren Blick auf Europa und stellt das technisch und wirtschaftliche Potenzial für die Nutzung von Seen als Wärmequelle dar.

Nutzung von behandeltem Abwasser als Wärmequelle für Wärmepumpen in Fernwärmesystemen

Der Artikel Comparative assessment of heat recovery from treated wastewater in the district heating systems of the three capitals of the Baltic countries von J. Ziemele et al. befasst sich mit der Nutzung von behandeltem Abwasser aus Kläranlagen in Fernwärmesystemen. Dazu sollen Absorptionswärmepumpe eingesetzt werden. Die Thermische Energie der Absorptionswärmepumpe soll mittels bestehender Biomasse-Kessel erzeugt werden. Um das Potenzial zu quantifizieren, wird eine dreistufige Methodik entwickelt:

  1. Räumliche und zeitliche Analyse: Dies umfasst die Analyse von Angebot und Nachfrage in potenziellen Verbrauchsgebieten.
  2. Umfassende Analyse der Abwärmenutzung: Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Vergleich der energie-, umwelt- und wirtschaftsbezogenen Kennzahlen (KPIs) im Zusammenhang mit der Wärmerückgewinnung aus Abwasser. In der Studie werden verschiedene Szenarien auf der Grundlage unterschiedlicher Energiepreise untersucht. Ziel dieser Analyse war es, die potenziellen Vor- und Nachteile zu bewerten..
  3. Mehrdimensionale Analyse der Energiearmut: Als dritter Schritt der Methodik wird ein Ansatz gewählt Potenziale zur Reduktion von Energiearmut durch die Nutzung von Abwasserwärmerückgewinnung zu realisieren.

Die Methodik wird auf die drei Hauptstädte der Baltischen Länder angewendet. In den Städte Tallinn, Riga und Vilnius werden bereits Fernwärmesysteme betrieben. Die Trassenlänge beträgt dabei zwischen 449 km (Tallinn) und 830 km (Riga). Der Wärmeabsatz liegt zwischen 1,64 TWh und 2,7 TWh. Alle drei Systeme setzen BHKW und Kessel mit Biomethan und Erdgas sowie Müllverbrennung (Tallinn und Vilnius) ein.

Das Ergebnis der räumlichen und zeitlichen Analyse zeigt, dass die Entfernung der Kläranlagen nur wenige Kilometer (2 – 2,5 km) vom Fernwärmenetz entfernt liegt, so dass eine wirtschaftliche Anbindung möglich wäre. Eine Besonderheit zeigt Riga, bei der die Kläranlage in einem Netzgebiet mit geringem Absatz liegt. Das Potenzial in Tallinn und Vilnius wird daher auf 46 MW bzw. 22 MW thermischer Leistung geschätzt, in Riga lediglich auf 8 MW. Damit können ehrlich zwischen 4,8 % (Riga) und 20,5 % (Tallinn) CO₂-Emissionen vermieden werden. Im dritten Schritt wird der Einfluss auf die Endkundenpreise unter Berücksichtigung unterschiedlicher Preisszenarien untersucht. Dabei zeigt sich, dass in 8 von 9 Szenarien der die Nutzung von Abwasserabwärme die Endkundenpreise sinken lässt. Das eine Szenario ohne Vorteil ist in Riga bei günstigen Erdgaspreisen (Niveau 2019).

Insgesamt zeigt sich somit, dass die Nutzung von Abwasser aus Kläranlagen eine vielversprechende Technologie ist, welche sowohl CO₂-Emissionen als auch Kosten einsparen kann. Die Verwendung von elektrischen Wärmepumpen zur Anhebung des Temperaturniveaus mit einer starken Sektorenkopplung zu erneuerbarem Strom stellt ein weiteres großes Potenzial zur Reduktion der CO₂-Emissionen und Kosten dar.

Nutzung von Seewasser zur Kühlung und Heizung von Gebäuden in Fernwärmenetzen

Der zweite Artikel The potential of lake-source district heating and cooling for European buildings by S. Eggimann et al. beschreibt das nutzbare Potenzial von Seewasser als Wärmequelle bzw. Wärmesenke in Fernwärmesystemen. Dabei beschränkt sich der Artikel nicht auf wenige ausgesuchte Use Cases, sondern beschreibt vielmehr die Methodik, um das Potenzial für ganz Europa abzuschätzen.

Ähnlich wie im ersten Artikel muss dazu zuerst eine räumliche Analyse stattfinden. Dazu werden die Daten von OpenStreetMaps genutzt um automatisch größere Seen, sowie die Gebäude in Nähe dieser Seen zu filtern. Jedem Gebäude wird über eine vereinfachte Methodik über Grundfläche und Außentemperatur ein Wärme- und Kältebedarf zugeordnet. Dazu werden auch weitere öffentliche Quellen, wie z. B. Tabula genutzt. In einem weiteren Schritt werden mögliche Gebiete, welche sich für die Wärmeversorgung in Seenähe eignen ausgewählt, in diese Gebiete wird ein grob dimensioniertes Wärmenetz integriert. Zuletzt wird die Quelle und in Abhängigkeit davon die Effizienzen der Wärmepumpen bzw. der direkten Kühlung berücksichtigt. Die Analyse berücksichtigt das techno-ökonomische Potenzial, so dass sowohl energetische als auch kostenrelevante Faktoren berücksichtigt werden.

Die räumliche Analyse hat über 2000 Seen, welche nutzbar wären, identifiziert. Besonders Länder wie Finnland, Norwegen oder die Schweiz zeigen dabei ein großes Potenzial auf. Nach Berücksichtigung des minimalen Seevolumens, sowie dass der See maximal 1 Monat im Jahr zugefroren sein darf, bleiben jedoch lediglich 171 Seen für die Nutzung über.

Wird der Gebäudeenergiebedarf für Heizen und Kühlen an diesen Seen berücksichtigt, zeigt sich, dass der Bedarf das Potenzial insgesamt übersteigt. Lediglich 17 % des Kühlbedarfs können durch Seewasser gedeckt werden. Wird Heizen und Kühlen betrachtet sinkt dieser Wert auf 7 % des Bedarfs. Das techno-ökonomische Potenzial der Nutzung von Seewasser ist stark abhängig von der Höhe der Strompreise. Je höher der Strompreis, desto größer ist das mögliche Potenzial. Der Artikel untersucht außerdem den Einfluss der Nutzung auf die Seewassertemperatur. Dabei kann mit Hilfe simulativer Untersuchungen gezeigt werden, dass der Einfluss der Seewassernutzung auf die Temperatur des Sees marginal ist.

Neue Berichte im Themenbereich Wärmenetze

In unserem letzten Newsletter haben wir einige Berichte vorgestellt, die Themen wie Digitalisierung, Marktausblicke oder die kommunale Wärmeplanung fokussieren. Auch diesen Monat sind uns bei unserer Recherche wieder viele Berichte aufgefallen, die wir gerne teilen würden. Die große Anzahl dieser Berichte zeigt, wie aktuell das Thema Fernwärme ist und welche Chancen in einem konsequenten Ausbau der Fernwärme liegen:

Die nächste Ausgabe unseres Newsletters erscheint am 2. August 2023. Bis dahin folgen Sie uns gerne auf LinkedIn wo wir kleinere Anwendungsbeispiele und Informationen mit Ihnen teilen.

Viele Grüße,
Ihr heatbeat-Team

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