heatbeat Blog

Newsletter-Ausgabe 46
07.08.2024

Fernwärme im europäischen Energiemarkt

Liebe Leserinnen und Leser,

in der 46. Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters befassen wir uns mit einem erweiterten Blick auf den europäischen Energiemarkt. Wir präsentieren zwei neue Fachartikel mit dem Fokus auf Wärmenetze zu diesem Thema. Der CO2-Fußabdruck des Energiemixes kann sich zwischen den europäischen Ländern stark unterschieden. Diese Unterschiede der Energiemärkte wirken sich auch auf den CO2-Fußabdruck der Fernwärmenetze der Länder aus. Unser erstes Paper analysiert die unterschiedlichen Dekarbonisierungsstrategien in der Fernwärme und deren Effizienz in verschiedene europäische Länder. Der Energiemarkt in Europa ist jedoch nicht auf die Grenzen der einzelnen Länder beschränkt, so dass für zukünftige Szenarien eine Betrachtung des gesamten europäischen Energiemarktes empfohlen wird. Der zweite Beitrag befasst sich entsprechend mit der Integration von Fernwärmenetzen in die Energiesystemmodellierung des gesamten europäischen Energiemarktes.

Das Paper "Strategies for Decarbonizing European District Heating: Evaluation of Their Effectiveness in Sweden, France, Germany, and Poland" von Malcher et. al. untersucht die Herausforderungen und potenziellen Strategien zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen in Fernwärmesystemen in vier europäischen Ländern. Fernwärmesysteme, die Wohn- und Geschäftsgebäude mit Wärme aus einer zentralen Quelle versorgen, sind für die Energieeffizienz von entscheidender Bedeutung, stehen jedoch aufgrund ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, hohen Betriebstemperaturen und erheblichen Verteilungsverlusten vor Herausforderungen. Die Studie zielt darauf ab, die Wirksamkeit verschiedener Dekarbonisierungsstrategien zu ermitteln und zu bewerten, um diese Systeme mit den europäischen Klimazielen in Einklang zu bringen.

Die Forschung identifiziert mehrere Schlüsselstrategien für die Dekarbonisierung von Fernwärmesystemen:

  1. Einbindung von kohlenstoffarmen Wärmequellen
  2. Einführung effizienter Technologien, die aufgrund ihres Potenzials zur Verbesserung der Effizienz und zur Verringerung der Emissionen in Betracht gezogen werden.
  3. Verringerung der Verteilungsverluste
  4. Senkung des Wärmebedarfs
  5. Nutzung von grünem Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS)

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit dieser Strategien von Land zu Land sehr unterschiedlich ist und weitgehend vom bestehenden Energiemix und der Kohlenstoffintensität des Strom- und Wärmesektors abhängt. In Deutschland beispielsweise, wo die Stromerzeugung stark auf fossile Brennstoffe angewiesen ist, konzentrieren sich die vorteilhaftesten Strategien auf die Verringerung der Verteilungsverluste und die Senkung des Wärmebedarfs.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die politischen Maßnahmen auf die spezifischen Bedingungen jedes Landes zugeschnitten sein sollten. In Deutschland sollte der Schwerpunkt auf der Verringerung der Wärmenachfrage und der Verteilungsverluste liegen, anstatt massiv in Technologien wie Elektrokessel zu investieren, die angesichts des aktuellen Energiemixes möglicherweise keine signifikanten Emissionsreduzierungen bewirken.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung kontextspezifischer Strategien zur Dekarbonisierung von Fernwärmesystemen. In Deutschland, wo die Kohlenstoffintensität der Stromerzeugung relativ hoch ist, ist die Konzentration auf die Verringerung der Verteilungsverluste und des Wärmebedarfs jetzt effektiver als die einfache Ausweitung des Einsatzes von Technologien wie Wärmepumpen. Diese Erkenntnisse sind für politische Entscheidungsträger und Branchenbeteiligte von entscheidender Bedeutung, um Investitionen und politische Maßnahmen zu priorisieren, die sowohl mit den nationalen Gegebenheiten als auch mit den allgemeinen Klimazielen in Einklang stehen.

Der zweite wissenschaftliche Artikel "Integrating District Heating Potentials into European Energy System Modelling : An assessment of cost advantages of renewable and excess heat" von Billerbeck et. al. untersucht die potenzielle Rolle von Fernwärmetechnologien bei der Schaffung eines klimaneutralen europäischen Energiesystems bis 2050. Es wird ein neuartiger Ansatz unter Verwendung des ENERTILE-Modells vorgestellt, das die Investitionen und den Einsatz von Fernwärme, Strom und Wasserstoff unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ressourcenverfügbarkeit in Europa optimiert.

In der Studie werden zehn Szenarien bewertet, die sich entweder auf Hochtemperatur- (HT) oder Niedertemperatur-Fernwärmenetze (LT) konzentrieren. Diese Unterscheidung ermöglicht eine genauere Darstellung der regionalen Ressourcenverfügbarkeit und der technischen Machbarkeit. Ein wichtiges Ergebnis ist die bedeutende Rolle, die Wärmepumpen im zukünftigen Fernwärmeerzeugungsmix spielen werden. In allen Szenarien dominieren Wärmepumpen, insbesondere solche, die Luft-, Fluss-, See- und Abwasserquellen nutzen, den Erzeugungsmix aufgrund ihrer geringen Kosten und ihrer Flexibilität bei der Unterstützung des Stromsektors.

Niedertemperatur-Fernwärmenetze bieten eine Reihe von Vorteilen, wie z. B. ein höheres Erzeugungspotenzial und bessere Wirkungsgrade für Wärmepumpen. Die Umstellung auf niedrigere Netztemperaturen kann jedoch erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und bauliche Veränderungen erfordern. Der Artikel unterstreicht die Notwendigkeit, die Netztemperaturen zu optimieren, um Effizienzgewinne gegen die Infrastrukturkosten abzuwägen.

Während sich der Technologiemix für Fernwärme nur begrenzt auf die Gesamtkosten des europäischen Energiesystems auswirkt, erweisen sich Szenarien mit einem höheren Anteil an Wärmepumpen, geothermischer Energie und industrieller Abwärme als kosteneffizienter. Insbesondere die Geothermie bietet trotz ihres geringen Einflusses auf die Gesamtsystemkosten erhebliche Kostenvorteile innerhalb der Fernwärme.

Die Studie schlägt weitere Forschungsarbeiten vor, um die Fernwärmemodellierung in integrierten Energiesystemen zu verfeinern, wobei der Schwerpunkt auf den optimalen Netztemperaturen und der Erkundung verschiedener Technologieoptionen liegt. Diese Arbeit liefert wesentliche Erkenntnisse über das regionale Potenzial und die wirtschaftliche Tragfähigkeit verschiedener Fernwärmetechnologien und trägt damit zur Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme bei.

Weitere Informationen

Wie immer empfehlen wir, die Artikel vollständig zu lesen. Aus beiden Artikeln lässt sich ableiten, dass die Dekarbonisierungsstrategien für die verschiedenen europäischen Länder individuell sein müssen und dass wir alle Länder mit allen Fernwärmenetzen betrachten müssen, um die zukünftigen Pfade für unsere Dekarbonisierungsstrategien zu analysieren.

Die nächste Ausgabe unseres Newsletters wird am 4. September 2024 erscheinen.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Heatbeat-Team

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