Nah- und Fernwärmenetze leisten einen wichtigen Beitrag für eine kostengünstige und zunehmend regenerative Wärmeversorgung. Dazu ist jedoch ein bestmöglicher Betrieb, von den Wärmeerzeugern über die Verteilung bis hin zu den Übergabestationen in den Gebäuden nötig. Und da es sich bei Wärmenetzen um große und komplexe Systeme handelt, kommt es im Betrieb auch zu Abweichungen von den optimalen Betriebsbedingungen und Störungen. Eine frühzeitige Erkennung solcher Probleme ist entscheidend, um Ausfälle zu vermeiden, die Effizienz zu maximieren und unnötige Kosten zu reduzieren.
Viele Netzbetreibende haben dazu bereits eine gute Basis mit regelmäßigen Wartungen, Betriebsdatenanalysen und dem Fachwissen ihres Betriebspersonals, um Auffälligkeiten zu finden und effektiv gegenzusteuern. Doch manche Fehler entwickeln sich schleichend oder bleiben unentdeckt, da nicht alle Komponenten des Systems mit Messtechnik erfasst sind oder die Kapazität zur Analyse aller vorhandenen Daten nicht immer verfügbar ist. Genau hier setzt die digitale Fehlererkennung an: Durch den Einsatz eines digitalen Zwillings können alle verfügbaren Betriebsdaten kontinuierlich überwacht, Anomalien und Abweichungen frühzeitig erkannt und gezielte Maßnahmen ergriffen werden, bevor größere Schäden entstehen oder ein ineffizienter Betrieb unnötig hohe Kosten verursacht.
In diesem Blogbeitrag zeigen wir anhand eines konkreten Beispiels, wie unser heatbeat Digital Twin ein defektes Regelventil in einem Wärmenetz mit gut 100 Abnehmern aufgedeckt hat, welche Maßnahmen daraufhin ergriffen wurden und wie der Netzbetrieb letztlich von der intelligenten Analyse profitieren konnte.
Unser heatbeat Digital Twin besteht aus 4 sich ergänzenden Modulen:
Für diese Fallstudie liegt der Schwerpunkt auf dem Insights-Modul. Damit ermöglichen wir die umfangreiche Analyse von Messdaten, die über eine Live-Anbindung in Echtzeit erfasst und ausgewertet werden. Zusammen mit unserem Base-Modul können die Messdaten darüber hinaus in den räumlichen Kontext des Wärmenetzes eingeordnet werden.
Dabei können wir je nach Wunsch und Voraussetzungen im Wärmenetz sowohl Messdaten der Energiezentrale als auch Daten aus fernauslesbaren Übergabestationen erfassen, wobei beide Bereiche auch einzeln angebunden und ausgewertet werden können. Für unser aktuelles Beispiel zur Fehlererkennung in den Übergabestationen erfassen wir im betroffenen Netz unter anderem die abgenommenen Leistungen, die Volumenströme und die Vor- und Rücklauftemperaturen an den Übergabestationen. Über eine Schnittstelle zum Wärmenetzsystem erfassen und speichern wir die Daten in unserem digitalen Zwilling und können so hilfreiche Analysen und Fehlermeldungen ableiten. Damit können Anomalien, Fehler und Abweichungen vom Zielzustand des Netzes frühzeitig erkannt und der Betrieb des Gesamtsystems laufend optimiert werden.
Im vorliegenden Fall haben wir den Betreiber eines Wärmenetzes bereits kurz nach Einrichtung der Live-Daten-Anbindung über einen konkreten Fehler in einer Übergabestation hinweisen können. Seit den letzten Erweiterungen der Live-Daten-Tabelle in der Weboberfläche unseres digitalen Zwillings ist es aber auch sehr einfach möglich, ähnliche Fehler im Netzbetrieb mit sehr geringem Aufwand selbst zu identifizieren.
Dazu bietet die Übersichtstabelle die Möglichkeit, alle Abnehmer nach dem Volumenbedarf zu sortieren. Der Volumenbedarf wird berechnet aus dem Gesamtvolumen, das über einen definierten Zeitraum die Übergabestation durchflossen hat, und der damit übertragenen Wärmemenge. Damit ist dieser in m³/MWh angegebene Wert ein gutes Maß dafür, wie viel Wasser im Wärmenetz zum Transport einer MWh Wärme bewegt werden muss. Ein niedriger Wert ist dabei ein Indikator für eine effiziente Übergabestation mit hoher Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf, während ein hoher Wert ein sehr guter Indikator für einen möglichen Fehlbetrieb von Übergabestationen ist.
Für das betroffene Gebäude zeigt die folgende Abbildung eine Übersicht über die Messdaten zum Zeitpunkt des ersten Auftretens eines Fehlers. Es ist deutlich zu sehen, wie der Volumenstrom durch die Übergabestation ohne Leistungsabnahme stetig ansteigt und anschließend annähernd konstant auf einem Maximalwert verbleibt. Infolgedessen entsteht ein Bypass, der unnötigerweise die hohen Temperaturen des Vorlaufs ohne Wärmeabnahme in den Rücklauf durchlässt. Während die Wärmeabnahme des Gebäudes im Vergleich zu anderen Tagen weitgehend unverändert bleibt, lässt dieses Fehlerbild auf ein Problem mit dem Regelventil in der Übergabestation schließen. Auf Basis dieser Ausgangslage wurde der Netzbetreiber von uns über den heatbeat Digital Twin auf den Fehlbetrieb aufmerksam gemacht.
Dank dieses Warnhinweises durch unser Insights-Modul konnte der Wärmenetzbetreiber eine Vorortprüfung einleiten. Diese Prüfung bestätigte das Ergebnis der Fehleranalyse und musste einen Defekt am Regelventil feststellen. Anschließend konnte eine Instandsetzung durchgeführt werden.
Nach erfolgreichem Austausch des Ventils konnte der störungsfreie Betrieb anhand der Live-Daten bestätigt werden. In der Abbildung ist das Ende des konstant hohen Volumenstroms deutlich sichtbar, direkt gefolgt von einer besseren Spreizung zwischen Vor- und Rücklauftemperatur, wenn Wärme abgenommen wird.
Im vorliegenden Fall trat der Fehler in einer Übergabestation während eines Zeitraums mit niedrigen Außentemperaturen im Winterbetrieb auf. Während der erhöhte Volumenstrom einer Station im Sommer auch in den Messdaten der Einspeisung deutlicher erkennbar gewesen wäre, hätte der Defekt ohne Warnung durch den digitalen Zwilling im Betrieb übersehen werden können. Und neben der Fehlererkennung zeigen die Messdaten auch, dass die durchschnittliche Rücklauftemperatur im Gesamtnetz in der Zeit zwischen erstem Auftreten des Fehlers und seiner Behebung leicht erhöht war.
Damit konnte zum einen der Fehler im Gebäude erkannt werden, bevor auf Kundenseite eine Unterversorgung oder andere Probleme bemerkbar gewesen wären. Und zum anderen konnten durch die zügige Behebung des Fehlers unnötige Mehrkosten im Betrieb vermieden werden. An diesem Beispiel zeigt sich, wie unser heatbeat Digital Twin zum effizienten und wirtschaftlichen Betrieb von Nah- und Fernwärmenetzen beitragen kann.
Mehr Infos zum Softwaremodul heatbeat Digital Twin Insights stellen wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch und in Kürze auf heatbeat.de vor.
Die Ergebnisse dieser Fallstudie wurden im Rahmen des Forschungprojekts „BeStWärmKI - Optimierte Betriebssteuerung von Wärmenetzen mittels KI-basierter Verfahren“ erarbeitet. Für die Förderung dieses Vorhabens bedanken wir uns bei dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.