heatbeat Blog

Newsletter-Ausgabe 56
04.06.2025

Thermohydraulische Modellierung für Fernwärmesimulationen

Liebe Leserinnen und Leser,

in der 56. Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters werfen wir einen Blick auf die neuesten Forschungsergebnisse im Bereich der thermohydraulischen Modellierung von Fernwärmenetzen.

Der erste Beitrag „Thermal-hydraulic modelling of a flexible substation layout for low-temperature waste heat recovery into district heating“ von Anania et al. befasst sich mit der Modellierung und detaillierten Analyse einer bidirektionalen Übergabestation, die an ein Fernwärmenetz für die Raumheizung und Warmwasserversorgung eines Stahlwerks angeschlossen ist. Der zweite Beitrag in diesem Monat gibt einen Überblick über die Auswirkungen und die Durchführbarkeit der Absenkung der Vorlauftemperatur in Fernwärmenetzen und trägt den Titel „Determining economic feasibility of supply temperature reduction in existing district heating system through thermohydraulic modelling“ von Kotilainen et al.

Die Arbeit mit dem Titel "Thermal-hydraulic modelling of a flexible substation layout for low-temperature waste heat recovery into district heating" untersucht die Auslegung und Simulation einer bidirektionalen thermischen Übergabestation, die eine effiziente Integration von industrieller Abwärme in Fernwärmesysteme ermöglicht. Die Studie konzentriert sich auf eine reale Anwendung in einem Stahlwerk in Ospitaletto, Italien, wo Abwärme aus Kühlprozessen zurückgewonnen wird, um den internen Heizbedarf zu decken und bei Überschuss in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Die Übergabestation umfasst Wärmepumpen, thermische Energiespeicher und ein detailliertes hydraulisches System, so dass sie sowohl als Wärmeverbraucher als auch als Wärmeerzeuger fungieren kann, was dem Konzept eines „thermischen Prosumenten“ entspricht.

Ein dynamisches Modell der Übergabestation wurde mit TRNSYS entwickelt und anhand realer Betriebsdaten validiert. Das Modell enthält detaillierte Darstellungen der hydraulischen Komponenten, des dynamischen Verhaltens der Wärmepumpe und der auf Temperatursensoren basierenden Regelung. Es unterstützt mehrere Betriebsmodi und Konfigurationen, wodurch es an verschiedene Netzbedingungen und Benutzeranforderungen angepasst werden kann. Die Validierungsergebnisse zeigten eine hohe Genauigkeit mit Leistungsschätzungsfehlern unter 5%. Mit dem Modell wurden zwei Szenarien simuliert: ein konservatives „Upgrade“-Szenario, das die aktuellen Netzbedingungen widerspiegelt, und ein „optimales Upgrade“-Szenario, das von einer erweiterten Netzkapazität ausgeht, um die gesamte verfügbare Abwärme zu nutzen.

Die Simulationsergebnisse zeigten, dass das System den Verbrauch nicht-erneuerbarer Primärenergie und die CO₂-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Gaskesseln um bis zu 75% senken kann. Außerdem könnten etwa 90% der verfügbaren Abwärme zurückgewonnen und wiederverwendet werden, insbesondere im Sommer, wenn der interne Bedarf gering ist. Die Studie unterstreicht die Bedeutung von bidirektionalen Übergabestationen für die Verbesserung der Energieeffizienz, die Dekarbonisierung von Heizsystemen und die Unterstützung des Übergangs zu nachhaltigen Energienetzen. Das entwickelte flexible Modell kann auf verschiedene industrielle und geografische Kontexte angewandt werden und bietet ein wertvolles Instrument zur Optimierung der Abwärmerückgewinnung in Fernwärmesystemen.

Die Studie mit dem Titel "Determining economic feasibility of supply temperature reduction in existing district heating system through thermohydraulic modelling" untersucht die potenziellen Kosteneinsparungen und betrieblichen Auswirkungen einer Absenkung der Vorlauftemperatur in Fernwärmenetzen. Am Beispiel des Fernwärmenetzes in Kangasala, Finnland, wurde mit der Simulationssoftware Fluidit Heat modelliert, wie sich verschiedene Vorlauftemperatur-Szenarien (von 115 °C bis 90 °C) auf Wärmeverluste, Pumpenergiebedarf und Betriebskosten auswirken. Die Modellierung basierte auf detaillierten stündlichen Verbrauchsdaten von 314 Kundenstationen und berücksichtigte sowohl bestehende als auch modernisierte Übergabestationen.

Die Ergebnisse zeigen, dass mit der bestehenden Infrastruktur die wirtschaftlichen Vorteile einer Temperaturabsenkung minimal sind. Im besten Fall konnten lediglich 0,5% der gesamten Produktionskosten eingespart werden, da die Einsparungen durch geringere Wärmeverluste durch den erhöhten Pumpenergiebedarf nahezu aufgehoben wurden. Eine Sensitivitätsanalyse verdeutlichte, dass die Wirtschaftlichkeit stark vom Verhältnis zwischen Strom- und Brennstoffpreisen abhängt. Bei einer Modernisierung der Übergabestationen auf den heutigen Standard (90/33°C) stiegen die Einsparungen auf 2,37% der Produktionskosten. Allerdings sind die Investitionskosten für solche Modernisierungen so hoch, dass sie sich ohne zusätzliche Maßnahmen – wie die Integration von Niedertemperatur-Wärmequellen – nicht rechnen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine alleinige Absenkung der Vorlauftemperatur in bereits außentemperaturgeführten Systemen, wie sie in Finnland üblich sind, wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Der eigentliche Nutzen ergibt sich erst durch eine gleichzeitige Umstellung des Wärmeerzeugungsportfolios, etwa durch die Einbindung von Abwärme oder anderen kostengünstigen Niedertemperaturquellen. Die Ergebnisse stellen die weit verbreitete Annahme infrage, dass niedrigere Vorlauftemperaturen automatisch zu erheblichen Kosteneinsparungen führen und unterstreichen die Bedeutung einer systemspezifischen Modellierung in der Fernwärmeplanung.

Pilotprojekte in Berlin, Freiburg, Mannheim und München zeigen das technische Potenzial und die innovativen Anwendungen von ATES und MTES, einschließlich der Integration mit Hochtemperaturwärmepumpen und der Wiederverwendung stillgelegter Bergwerke. Trotz positiver Simulations- und Testergebnisse wird eine breitere Anwendung durch Unsicherheiten in Bezug auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit, die Systemleistung und die Umweltauswirkungen eingeschränkt.

Weitere Informationen

Wie immer empfehlen wir, den Artikel vollständig zu lesen. Zusätzlich zu diesem Forschungsnewsletter und verschiedenen Blogbeiträgen haben wir unseren Blog um ein monatliches Feature-Update erweitert, das wichtige Entwicklungen und neue Funktionen unseres heatbeat Digital Twin zusammenfasst. Den ersten Eintrag finden Sie unter "https://heatbeat.de/en/blog/64/" Wann immer Sie einen thermohydraulischen Modellierungsansatz für Fernwärmeanwendungen benötigen, wenden Sie sich an uns und wir besprechen, wie wir ihnen helfen können.

Die nächste Ausgabe unseres Newsletters wird am 2. Juli 2025 erscheinen.

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