Liebe Leserinnen und Leser,
in der 58. Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters werfen wir einen Blick auf aktuelle Forschung zur Fehlererkennung in Übergabestationen von Fernwärmenetzen.
Die erste Studie mit dem Titel "Prioritisation of faults in district heating substations: Towards predictive maintenance and optimised operation" von Guevara Bastidas et al. beschäftigt sich mit der Bewertung und Priorisierung von Fehlern in Fernwärmeübergabestationen. Die zweite Arbeit stellt eine neue Methodik zur Zeitreihen-Clustering im Kontext der Fehlererkennung vor. Sie trägt den Titel "HEAT: Hierarchical-constrained Encoder-Assisted Time series clustering for fault detection in district heating substations" von van Dreven et al.
Die Studie mit dem Titel „Priorisierung von Fehlern in Fernwärmeübergabestationen: Auf dem Weg zu prädiktiver Instandhaltung und optimiertem Betrieb“ stellt eine neuartige Methodik vor, um die Zuverlässigkeit und Effizienz von Fernwärmesystemen durch verbessertes Fehlermanagement zu steigern. Angesichts der zunehmenden Komplexität und Anzahl von Übergabestationen reichen herkömmliche Wartungsansätze nicht mehr aus. Die Autoren passen die etablierte „Failure Modes and Effects Analysis“(FMEA) zu einem neuen Rahmen namens „Operation and Maintenance- Failure Modes and Effects Analysis” (O&M-FMEA) an, der neben Fehlerhäufigkeit und -schwere auch das Überwachungspotenzial und die Wartungsfähigkeit berücksichtigt. Daraus ergibt sich eine neue Kennzahl – die „Maintenance Priority Number“(MPN) – die die Relevanz von Fehlern für prädiktive Instandhaltung und Betriebsoptimierung besser abbildet.
Zur Anwendung dieser Methodik wurde eine umfassende Liste von 81 Fehlern in Fernwärmeübergabestationen erstellt, basierend auf Literaturrecherche und der Expertise deutscher Branchenvertreter. Diese Fehler wurden von 13 deutschen Fachleuten anhand von vier Kriterien bewertet: Auftretenshäufigkeit, Schweregrad, Überwachungspotenzial und Wartungsfähigkeit. Die Ergebnisse der Umfrage dienten zur Berechnung der MPNs, wodurch eine priorisierte Fehlerliste entstand. Die Studie zeigt, dass Fehler wie die Verschmutzung von Sieben, Pumpenausfälle und Wärmetauscher-Verschmutzung besonders kritisch für die prädiktive Instandhaltung sind – sie treten häufig auf, haben gravierende Auswirkungen und lassen sich frühzeitig erkennen und beheben.
Die Untersuchung identifizierte fünf besonders relevante Fehler für die prädiktive Instandhaltung: die Verschmutzung von Sieben (Primär- und Sekundärseite), der Ausfall der Heizkreispumpe, der Ausfall der Speicherladepumpe für Warmwasser sowie die Verschmutzung von Wärmetauschern. Diese Fehler zeichnen sich durch hohe Häufigkeit, erhebliche Auswirkungen und gute Überwachbarkeit aus. Im Gegensatz dazu zeigten Fehler wie Lufteinschlüsse im Rohrsystem oder Defekte an 3-Wege-Ventilen ein geringes Überwachungs- und Wartungspotenzial und erfordern organisatorische Maßnahmen. Zudem wurden Fehler identifiziert, die nicht direkt mit O&M zusammenhängen – etwa falsche Parametrierung der Regelung oder fehlerhafte Platzierung von Außentemperatursensoren – und auf Verbesserungsbedarf bei Installation und Inbetriebnahme hinweisen. Die Ergebnisse liefern konkrete Handlungsempfehlungen für Versorger und Forschende zur Weiterentwicklung von Instandhaltungsstrategien und Fehlererkennungssystemen.
Die zweite Studie stellt HEAT (Hierarchical-constrained Encoder-Assisted Time series clustering) vor – eine neuartige, unbeaufsichtigte Methode zur Fehlererkennung in Fernwärmeübergabestationen. HEAT adressiert die Schwächen herkömmlicher globaler oder schwellenwertbasierter Verfahren, die oft subtile Anomalien übersehen und auf gelabelte Daten angewiesen sind. Die Methode arbeitet in zwei Phasen: Zunächst wird die relative Netzwerktopologie mithilfe von Versorgungstemperaturprofilen und hierarchischem Clustering mit weichen Nebenbedingungen approximiert. Diese Nebenbedingungen ermöglichen direkte Einflussnahme auf die Clusterbildung, um Verhalten in Fernwärmeübergabestationen zielgerichteter kategorisieren zu können. Anschließend erfolgt eine intra-cluster-basierte Anomalieerkennung mittels modifizierter z-Scores auf Basis der Medianabweichung (MAD). Ein Convolutional Autoencoder (CAE) reduziert dabei die Dimensionalität der Zeitreihendaten.
Die Methode wurde mit realen Betriebsdaten von 248 Stationen in China validiert. HEAT bildet dabei ausgewogene und sinnvolle Cluster, die die betriebliche Struktur des Fernwärmenetzes widerspiegeln. Im Vergleich zu etablierten Clustering-Methoden (z. B. k-means, Spectral Clustering, DBSCAN) zeigt HEAT durchweg bessere Ergebnisse hinsichtlich Cluster-Kohärenz und Größenverteilung. Die Integration weicher Nebenbedingungen erlaubt eine flexible Einbindung von Expertenwissen, ohne starre Regeln zu erzwingen. Zudem ist die Methode für mittlere Netzgrößen recheneffizient und bietet durch Dendrogramme eine visuell nachvollziehbare Clusterstruktur.
HEAT erreichte eine Sensitivität von 74,1 % und eine Spezifität von 95,5 % bei der Fehlererkennung – deutlich besser als globale Verfahren (14,8 % Sensitivität) und andere Basismethoden. Die Methode erkannte sowohl gravierende Fehler (z. B. Ventildefekte) als auch subtile Anomalien (z. B. Sekundärleckagen) zuverlässig und mit geringer Falsch-Positiv-Rate. Da HEAT ohne gelabelte Daten auskommt, eignet es sich besonders für reale Fernwärmesysteme, in denen solche Daten oft fehlen. Die Autoren schlussfolgern, dass HEAT die Betriebseffizienz und Energie-Nachhaltigkeit verbessert und mit überschaubaren Anpassungen auf Netze mit ähnlichen Betriebsbedingungen übertragbar ist. Zukünftige Arbeiten sollen die Skalierbarkeit und Generalisierbarkeit weiter untersuchen.
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Die nächste Ausgabe unseres Newsletters wird am 3. September 2025 erscheinen.