wir freuen uns, Ihnen die dritte Ausgabe unseres heatbeat Research Newsletters vorzustellen. Während sich die letzten beiden Ausgaben auf Wärmenetze der 4. Generation und die Bedarfsseite (Trinkwarmwasserbereitung) fokussierten, möchten wir uns diesmal mit Wärme- und Kältenetzen der 5. Generation beschäftigen. Insbesondere die Einbindung von Abwärme und erneuerbaren Energien ist in diesen Systemen vielversprechend. Das ausgewählte Paper gibt eine Übersicht über die Technologie, grenzt diese neuartigen Wärmenetze gegenüber anderen ab und behandelt Beispiele von sich in Betrieb befindlichen Netzen in Europa.
Unsere dritte Ausgabe widmen wir dem Paper 5th generation district heating and cooling systems: A review of existing cases in Europe von Simone Buffa et. al. Das Paper ist eine Kooperation zwischen EURAC Research (Institut für Erneuerbare Energie) und der Faculty of Science and Technology der Freien Universität Bozen. Darin werden moderne Wärmenetze untersucht und klassifiziert. Die Forschenden stellen fest, dass die untersuchten Netze sich technisch von denen der 4. Generation unterscheiden und schlagen deshalb die Bezeichnung "Wärme- und Kältenetzen der 5. Generation" vor. Dazu definieren sie folgende Merkmale:
Es werden insgesamt 40 in Betrieb befindliche Netze untersucht und näher analysiert. Davon befinden sich jeweils 15 Netze in der Schweiz und in Deutschland.
Das Paper liefert einen umfassenden Überblick über Wärme- und Kältenetze der 5. Generation und deren Anwendung. Die Forschenden stellen die Chancen und Vorteile anhand von 40 untersuchten und bereits existierenden Netzen heraus, zeigen aber auch zukünftige Herausforderungen auf. Die Systeme bieten die Möglichkeit, Abwärme und erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung zu nutzen, welche in konventionellen Netzen nicht nutzbar sind. Dazu ermöglichen sie gleichzeitiges Heizen und Kühlen und bieten ein großes Potenzial zur Sektorenkopplung. Zu den Herausforderungen gehören zum einen die hohe Komplexität bei Planung und Betrieb und zum anderen die Suche nach neuen Geschäftsmodellen, welche die hohen Anfangsinvestitionen kompensieren und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in diese Netze gewinnen.
Das Paper 5th generation district heating and cooling systems: A review of existing cases in Europe von Simone Buffa et. al. charakterisiert eine neue Form der Wärme- und Kältenetze, indem es 40 moderne thermische Netze untersucht. Das Paper ist als eine Kooperation zwischen EURAC Research (Institut für Erneuerbare Energie) und der Faculty of Science and Technology der Freien Universität Bozen entstanden.
In den letzten zehn Jahren ist ein signifikanter Anstieg von Inbetriebnahmen von Wärme- und Kältenetzen der 5. Generation zu verzeichnen. Die Forschenden führen das unter anderem darauf zurück, dass der Kältebedarf der Gebäude zunimmt und gleichzeitig mit dem Wärmebedarf über dieselben Rohrleitungen gedeckt werden kann. Dadurch haben Gebäude in solchen thermischen Netzen, ähnlich wie in Stromnetzen, die Chance, eine Rolle als Prosumer (d. h. gleichzeitig Konsument und Produzent z.B. von Wärme sein) einzunehmen. Die Forschenden definieren Wärme- und Kältenetze der 5. Generation als ein neuartiges Konzept, welches sich gegenüber den Wärmenetzen der 4. Generation insbesondere in folgenden Punkten unterscheidet:
Ein Hauptaugenmerk der Forschenden liegt dabei auf den Energie- und Massenströmen im thermischen Netz. Es wird zwischen unidirektionalen und bidirektionalen Energieströmen sowie gerichteten und ungerichteten Massenströmen unterschieden. Für Wärme- und Kältenetze der 5. Generation sind besonders die bidirektionalen Energieströme entscheidend. Das heißt, dass angeschlossene Gebäude gleichzeitig beheizt und gekühlt werden können. Gerichtete und ungerichtete Netze unterscheiden sich dabei durch den Einsatz zentraler bzw. dezentraler Pumpen.
Das Paper führt eine SWOT-Analyse durch, es werden also sowohl Stärken und Chancen als auch Schwächen und Gefahren für den Einsatz der neuen Wärme- und Kältenetzen der 5. Generation herausgearbeitet. Stärken des Konzepts sind, dass nahezu alle Wärmeströme unabhängig ihres Temperaturniveaus genutzt werden können. Die Verteilung auf geringem Temperaturniveau ermöglicht außerdem, dass das Netz gleichzeitig zu Heiz- und Kühlzwecken verwendet werden kann. Dabei können aufgrund der geringen Differenz zwischen Erdreichtemperatur und Netztemperatur Wärmeverluste fast vernachlässigt werden und dadurch günstigere ungedämmte Kunststoffrohre eingesetzt werden. Durch diese Vorteile ergibt sich für Energieversorger die Chance, neue Geschäftsmodelle (Anpassung von Leistungs- und Arbeitspreisen, Bepreisung von Abwärme, etc.) zu entwickeln, welche insbesondere eine stärkere Interaktion mit der Kundenseite und zum elektrischen Netz (Einsatz von Wärmepumpen, direkte Nutzung von PV-Strom) zur Folge haben. Die Einbindung von Abwärme und erneuerbarer Energien ermöglicht außerdem eine starke Dekarbonisierung des Wärmesektors.
Den Stärken und Chancen stehen insbesondere die höheren Investitionen für die Übergabestationen gegenüber. Bedingt durch die geringen Temperaturdifferenzen steigt die benötigte Pumpenergie in Wärme- und Kältenetzen der 5. Generation. Bisher gibt es nur wenige Messdaten, die diesen Zusammenhang beleuchten. In den untersuchten Netzen konnten Werte zwischen 1,6 % und 3,2 % der gelieferten Wärme gemessen werden. Auch die höheren Betriebskosten für den Strom der Wärmepumpen werden als möglicher Nachteil angegeben. Als zusätzliche Herausforderungen geben die Autoren die Notwendigkeit neuer Planungswerkzeuge für diese Systeme und die Integration von Bestandsgebäuden mit hohen Vorlauftemperaturen an. Wie für alle Wärmenetze gilt auch Wärme- und Kältenetze der 5. Generation, dass die Verlegung der Infrastruktur Erdarbeiten erfordert und die Entscheidung für einen Anschluss an das Netz oft auf der Kundenseite liegt.
Besonders interessant finden wir die sehr gute Übersicht über Systeme, die sich bereits heute in Europa im Betrieb befinden. Insbesondere in der Schweiz und Deutschland (je 15 untersuchte Netze) wurden in den letzten Jahren viele dieser Systeme gebaut und werden aktuell betrieben. Etwa 70 % der Netze haben eine installierte Wärmeleistung von 3 MW oder weniger, das größte System hat eine Leistung von 10 MW. Die für Fernwärmenetze geringe installierte Leistung deutet darauf hin, dass diese Systeme bisher vorwiegend in kleineren Quartieren zum Einsatz kommen. Die Forschenden geben eine Liniendichte von 1,2 kW/m für den wirtschaftlichen Betrieb eines Wärmenetzes an. In 16 der 40 Systeme wurde die Liniendichte näher analysiert. Neun dieser 16 Systeme weisen eine geringere Liniendichte als 1,2 kW/m auf, was insbesondere für Neubauten mit niedrigem Wärmebedarf interessant ist.
Die meisten Wärmenetze der 5. Generation nutzen oberflächennahe Geothermie als Wärmequelle. Weitere Wärmequellen sind See-, Fluss oder Meerwasser. In sieben untersuchten Netzen wird niedertemperierte Abwärme genutzt, hier wird für die Zukunft ein besonders großes Potential gesehen. Die Netztemperaturen schwanken dabei zwischen -5 °C und 35 °C. In den untersuchten Netzen konnten Werte für den SCOP (Saisonaler Coefficient of Performance) zwischen 2,5 und 6 (Mittelwert > 4) für das Heizen sowie 7 - 12 für das Kühlen (Saisonale Leistungszahl) beobachtet werden. In allen untersuchten Netzen kamen dabei elektrische Wärmepumpen zum Einsatz, welche sowohl mit einer einfachen An/Aus Regelungen als auch modulierend betrieben wurden. Besteht im Gebäude ein Trinkwarmwasserbedarf, wird üblicherweise ein Pufferspeicher verwendet. Zur Kühlung wird in vielen untersuchten Netzen ein einfacher Wärmeübertrager zum thermischen Netz genutzt.
Das vorgestellte Paper liefert einen sehr guten Einstieg in das Thema „Wärme- und Kältenetze der 5. Generation“. Natürlich können nicht alle Aspekte dieser Energiesysteme im Detail behandelt werden, dennoch stellt das Paper neutral die Vor- und Nachteile, sowie Chancen und Risiken der Wärme- und Kältenetze der 5. Generation dar. Besonders die Aussage, dass alle untersuchten Netze auf den gleichen Prinzipien beruhen, aber durch die individuelle Nutzung der lokalen Wärmequellen jedes System sehr individuell ist, deckt sich sehr gut mit den Erfahrungen aus vergangenen und aktuellen Projekten bei heatbeat. Unter anderem arbeiten wir aktuell am Forschungsprojekt TransUrban.NRW, das als ein Reallabor der Energiewende derartige Wärme- und Kältenetze der 5. Generation an vier Standorten in NRW in die Umsetzung bringt. Der flexible und objektorientierte Aufbau unserer Simulationsmodelle in Modelica ermöglicht es uns dabei, kundenorientiert maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln und so bereits in der Planungsphase die Systemzustände dynamisch abzubilden.
Den vorgestellten Artikel finden Sie im Original unter https://doi.org/10.1016/j.rser.2018.12.059. Zu den weiteren Arbeiten der Forschenden gehören das bereits abgeschlossene EU-Projekt FLEXYNETS (http://www.flexynets.eu/en/) sowie die aktuell laufenden Forschungsprojekte Life4HeatRecovery (http://www.life4heatrecovery.eu/en/) und REWARDHeat (https://www.rewardheat.eu/en/), in denen ebenfalls interessante Aspekte moderner thermischer Netze untersucht werden, um die Systeme flexibler und effizienter zu machen.
Auch zum Ende dieser dritten Ausgabe laden wir Sie gerne ein, uns Feedback zu geben, damit wir Ihnen den größtmöglichen Nutzen bieten können. Haben Sie Ideen wie wir den Newsletter für Sie noch nützlicher gestalten können? Dann schreiben Sie uns gerne an newsletter@heatbeat.de
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