Für unseren 6. Newsletter freuen wir uns, Ihnen eine Sonderausgabe präsentieren zu können. In der Regel stellen wir in jeder Ausgabe auf einen herausragenden Forschungsartikel aus dem Bereich Fernwärme vor. Für diese Sonderausgabe haben wir stattdessen alle im Jahr 2020 veröffentlichten Forschungsarbeiten analysisert, um den Stand der Fernwärmeforschung im Jahr 2021 besser zu verstehen und um aktuelle Trends zu erkennen. Im Folgenden werden wir unser Vorgehen kurz beschreiben, bevor wir unsere Analyse im Detail vorstellen.
Um einen vollständigen Überblick über möglichst viele Forschungspublikationen im Bereich Fernwärme zu erhalten, haben wir unseren Prozess mit einer Suche auf Google Scholar nach dem Begriff "District Heating" begonnen, beschränkt auf Veröffentlichungen aus dem Jahr 2020. Diese Suche ergab zunächst 476 Ergebnisse. Nachdem wir Duplikate, falsche Ergebnisse, nicht englischsprachige Ergebnisse und nicht verfügbare Dokumente entfernt hatten, blieben uns 366 gültige Suchergebnisse übrig. Für jede dieser Forschungsarbeiten haben wir den Titel, den Abstract und die Schlüsselwörter analysiert, um den Schwerpunkt der Studie zu erfassen. Auf dieser Grundlage haben wir die Studien in mehrere Kategorien eingeteilt, aus denen wir die folgende Analyse abgeleitet haben. Dies ermöglichte es uns zu verstehen, wie viele der betrachteten Arbeiten bestimmte Themen behandelten und bestimmte Methoden für ihre Forschung anwendeten.
In dieser Sonderausgabe haben wir alle im Jahr 2020 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Fernwärme mit dem Ziel überprüft, aktuelle Trends zu verstehen und festzustellen, welche Forschungsthemen und Methoden im vergangenen Jahr die wissenschaftliche Forschung bestimmt haben. Die 366 in unserer Analyse berücksichtigten Forschungsarbeiten umfassten hauptsächlich Zeitschriftenartikel (248 Artikel), aber auch Konferenzbeiträge (70), Master- (27) und Doktorarbeiten (10) sowie Forschungsberichte (10).
Aus unserer Analyse konnten wir zuerst ableiten, dass sich ein Großteil der Studien auf der Ebene von einem oder mehreren Wärmenetzen bewegten (308 Artikel). Im Gegensatz dazu untersuchte nur eine geringerer Teil der Studien Themen auf regionaler und nationaler (38) Ebene oder mit einem internationalen Schwerpunkt (18). Von den Studien mit gröberem Fokus konzentrierte sich ein größerer Anteil Themen zum rechtlichen Rahmen und zur Preisgestaltung, während die Studien auf Netzebene häufig die Effizienz, Kosten und Emissionen von Fernwärmenetzen untersuchten. Für die Netzebene lässt sich der Fokus für viele Studien weiter aufteilen: rund 26% der Studien befassen sich ausschließlich mit der Einspeisung und den Erzeugungsanlagen, während sich rund 16% ausschließlich auf die Gebäude und ihre an das Netz angeschlossenen Übergabestationen konzentrieren.
Viele der von uns analysierten Artikel zielten darauf ab, einen oder mehrere Kennwerte für Fernwärmesysteme zu verbessern. Durch die Einordnung der verwendeten Kennwerte wird deutlich, dass rund 35% aller berücksichtigten Forschungsarbeiten Kennwerte zur Wirtschaftlichkeit wie die Wärmegestehungskosten verwenden. Zum Vergleich: Die Treibhausgasemissionen wurden von rund 16% aller Publikationen als wichtiger Kennwert verwendet. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass rund 9% sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Emissionen für eine ganzheitlichere Bewertung ihrer Forschungsergebnisse berücksichtigt haben.
In Bezug auf die angewandten Methoden hat unsere Analyse gezeigt, dass ein großer Teil (56%) aller Arbeiten thermodynamische Modelle oder Analysen für ihre Forschung verwendete. Im Gegensatz dazu war der Anteil datenbasierter Methoden deutlich geringer (14%). Innerhalb dieser datenbasierten Arbeiten haben wir uns insbesondere dafür interessiert, inwieweit die aktuellen globalen Trends zu maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz bereits den Bereich der Fernwärme erreicht haben. In diesem Zusammenhang fanden wir 21 Studien (ca. 6%), in denen maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz angewendet wurden. Wir sind gespannt, wie verbesserte Methoden zur thermodynamischen Modellierung einerseits und mehr verfügbare Daten von intelligenten Zählern andererseits diese Zahlen für die kommenden Jahre beeinflussen werden.
Neben den eingesetzten Methoden und behandelten Themen lässt sich aus dem Datensatz auch erkennen, wie bestimmte Begriffe und Definitionen in der Forschungsgemeinschaft verwendet werden. In diesem Zusammenhang konnten wir sehen, dass 50 Artikel (rund 14%) ähnliche Themen im Kontext moderner Fernwärmenetzen mit dynamischem Betrieb und niedrigen Temperaturen untersuchen. Jedoch scheint es noch keinen Konsens darüber zu geben, wie solche Netze zu benennen sind. In unserem Datensatz verwendeten 23 Artikel die Begriffe "Low Temperature" und "Ultra-Low-Temperature" für solche Netze, während 27 Artikel sich auf die ebenfalls verbreitete Unterscheidung verschiedener Generationen von Fernwärme stützten. Aus dieser Untergruppe fanden wir 7 Artikel, die über den Begriff "Wärmenetze der 4. Generation" ("4th Generation District Heating") hinausgingen und "Wärmnenetze der 5. Generation" ("5th Generation District Heating") untersuchten. Wir sind gespannt, wie diese Begriffe die Diskussionen über moderne Wärmenetze in den kommenden Jahren weiter prägen werden.
Über diese Ergebnisse hinaus konnten wir weitere Themen identifizieren, die unterschiedlich großes Interesse der Forschungsgemeinschaft auf sich gezogen haben. Ein großes Thema ist dabei die Einbindung erneuerbarer Wärmequellen in Fernwärmenetze, was in der beeindruckenden Anzahl von 124 Studien (34%) behandelt wurde. In der Regel behandelten diese Studien zumindest zu einem bedeutenden Anteil die Einbindung von Abwärme, Solarthermie und Geothermie. Darüber hinaus konnten wir sehen, dass 75 Artikel (20%) Themen im Zusammenhang mit Flexibilität und verbesserten Regelstrategien für den Betrieb von Fernwärmenetzen standen. Inhaltlich nahe an den Themen Flexibilität und Regelung sowie der Einbindung Erneuerbarer haben wir 27 Studien mit Schwerpunkt auf Wärmespeichertechnologien identifiziert. Viele davon befassen sich mit den Herausforderungen der saisonalen Wärmespeicherung. Darüber hinaus fanden wir es interessant zu sehen, dass die Analyse des gesamten Lebenszyklus von Fernwärmenetzen in insgesamt 12 Arbeiten untersucht wurde.
Auf Basis dieses Überblicks zum Stand der Fernwärmeforschung im Jahr 2021, werden wir in den kommenden Ausgaben dieses Newsletters einige der herausragenden Arbeiten des Jahres 2020 vorstellen. Darüber hinaus freuen wir uns darauf, diese Analyse im kommenden Jahr zu wiederholen, um die Entwicklung dieser Trends im Laufe der Zeit zu verfolgen. Gerne nehmen wir Ihre Vorschläge entgegen, wenn Sie Themen und Methoden sehen, die wir in unserer Analyse vertiefen sollten. In der Zwischenzeit werden wir unsere Analyse weiter ausweiten und wir freuen uns darauf, mehr von unseren Erkenntnissen mit Ihnen zu teilen.
Die nächste reguläre Ausgabe unseres Newsletters erscheint am 5. Mai 2021.
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